Zwei Klagen in den USA, die die Social-Media-Welt verändern könnten
Sicher Zufall, aber keine große Überraschung: Am selben Tag, an dem ein Bericht von "Bloomberg" (€) über zwei gigantische Prozesse gegen alle relevanten Social-Plattformen in den USA erscheint (mehr dazu gleich), berichtet die Nachrichtenagentur Reuters über eine interne Studie von Meta. Die besagt: Jugendliche mit schlechtem Körpergefühl würden etwa dreimal so häufig Inhalte mit Bezug zu Essstörungen und negativem Körperbild ausgespielt bekommen wie andere. Zwar kann man nicht sagen, was Ursache ist und was Wirkung – aber der Zusammenhang und das Wissen darum wirft in jedem Fall kein gutes Bild auf die Branche und den Einfluss, den ihre Produkte auf die Kund*innen haben. Der wird auch Thema bei zwei Gerichtsverfahren sein, die demnächst in den USA beginnen.
Worum geht es? Klagen gegen die größten Social-Media-Unternehmen in den USA werfen den Betreibern der Plattformen vor, sie hätten diese wissentlich so konzipiert, dass die Nutzenden süchtig gemacht werden. Dies soll zu Depressionen, Angstzuständen, Schlaflosigkeit, Essstörungen, Selbstverletzungen und sogar Suizid bei Jugendlichen geführt haben. Die Verfahren haben das Potenzial, zu Vergleichen in Milliardenhöhe zu führen und die Art und Weise zu verändern, wie insbesondere Minderjährige soziale Medien nutzen.
Wer ist betroffen? Snapchat, die beiden Meta-Plattformen Facebook und Instagram, das noch im Besitz von ByteDance befindliche Tiktok sowie Youtube.
Warum jetzt? Die Klage wird seit Jahren vorbereitet und konnte bislang durch die betroffenen Konzerne herausgezögert werden. Lange zogen sich die auf Section 230 des Communications Decency Act zurück. Das 1996 unter der Regierung von Bill Clinton eingeführte Gesetz befreit Anbieter von Onlinediensten von der Haftung für Inhalte, die von Dritten über ihre Plattformen verbreitet wurden. Die aktuellen Klagen umgehen diesen Schutz, indem sie argumentieren, dass es diesmal nicht um Inhalte Dritter geht, sondern um die vorsätzliche und gefährliche Gestaltung der Produkte mit dem Ziel, Engagement und Profit über Sicherheit der Nutzenden zu stellen.
Was droht den Plattformen? Folgt das Gericht der Argumentation, die Unternehmen hätten bewusst süchtig machende Produkte auf den Markt gebracht – was interne Aussagen, die Teil der Anklage sind, nahelegen –, kann man als Präzedenzfälle die Tabak- und Opioid-Rechtsstreitigkeiten heranziehen. Sollte es letztlich zu einem Vergleich zwischen den Plattformanbietern und den mehreren Tausend Betroffenen kommen, die sich der Klage angeschlossen haben, düften die Zahlungen im Milliardenbereich liegen. Außerdem könnten die Plattformbetreiber gezwungen werden, ihr Geschäftsmodell mit Blick auf den Jugendschutz über die inzwischen etwa bei Meta oder Tiktok freiwillig ergriffenen Maßnahmen hinaus zu verändern. Hierbei dürften dann Design und Targeting eine wichtige Rolle spielen.
Whats’s next? Der erste Prozess soll im Januar 2026 in Los Angeles beginnen. Eine 19-Jährige klagt, seit mehr als einem Jahrzehnt süchtig nach sozialen Medien zu sein, was zu Angstzuständen, Depressionen und Körperdysmorphie geführt habe. Zwei weitere Prozesse werden bald darauf folgen, Tausende stehen in den Startlöchern.