Kein "num=100" mehr: Googles Vorstoß gegen Scraping schockt kurzzeitig die SEO-Szene und zeigt die Relevanz des Themas
Viele Website-Betreiber*innen und Suchmaschinenoptimierer*innen dürften Anfang dieser Woche beim Blick in ihre Google Search Console (GSC) ein wenig nervös geworden sein – denn die hat einen deutlichen Rückgang der in Googles Suchergebnissen generierten "Impressions" ausgewiesen. Immerhin beruhigend: Bei den Betroffenen haben sich in der Regel gleichzeitig die durchschnittlichen Positionen ihrer Website in den Suchergebnissen verbessert.
Als Ursache gilt eine auf den ersten Blick unscheinbare Änderung: Google hat die Möglichkeit mit dem URL-Parameter &num=100 ganze 100 statt nur zehn Suchergebnisse auf einmal abzufragen, unangekündigt abgeschaltet. Die Funktion war offenbar massiv von Bots zum automatisierten Absaugen von Google-Suchergebnissen ("Scraping") genutzt worden. Obwohl in den Nutzungsbedingungen verboten, wurde dies lange geduldet. Der Wegfall dieser "nicht-menschlichen Impressions" scheint nun für den sichtbaren Einbruch in der GSC zu sorgen. John Müller, Googles Ansprechpartner für SEO-Themen, kommentierte dies nur nebulös auf Bluesky: "Maybe the real impressions were the friends we made along the way."
Das Thema mag nerdy wirken, doch hat es in der SEO-Welt erstmal für einen kleinen Schock gesorgt, allen voran, weil viele SEO-Tools wie Sistrix, Semrush, etc. den "num=100"-Parameter genutzt haben. Durch die unerwartete Abschaltung waren die Daten nicht mehr vorhanden und die Tools konnten zeitweise keine Auswertungen mehr liefern. Offensichtlich haben sich aber sowohl Sistrix als auch Semrush verhältnismäßig schnell den neuen Gegebenheiten angepasst.
Wichtige Erkenntnis für die SEO-Branche: Ein relevanter Teil der Impressionen ab Position 11 stammte offenbar nicht von Menschen, sondern von Bots. Damit könnten diese Rankings noch weniger wert sein als bisher angenommen. Positiv gewendet: Die Search Console zeichnet nun ein realistischeres Bild der echten, menschlichen Sichtbarkeit.
Möglicherweise will Google sich mit der härteren Gangart gegenüber Scraping besser gegenüber Herausforderern wie OpenAI mit ChatGPT schützen. Zuletzt mehrten sich die Indizien dafür, dass OpenAI nicht nur (wie vom Unternehmen erklärt) den Suchindex von Bing nutzt, sondern auch Suchergebnisse von Google. Laut The Information (€) soll der Scraping-Dienstleiser SerpAPI bis Mai 2024 auf seiner Website OpenAI als Kunden aufgeführt haben.
All das bietet Zündstoff für Diskussionen: Wenn ein relevanter Teil der Google-Nutzung von Bots kommt, ist Google als Plattform dann auch im selben Maße weniger relevant? Und wenn bis zu einem Viertel der durch Bots generierten Impressionen ab Position 11 auf ChatGPT oder Scraper anderer KI-Modelle zurückzuführen sein sollte (worüber manche in der SEO-Szene spekulieren): Ist das nicht auch ein deutlicher Fingerzeig dafür, wie intensiv diese mittlerweile genutzt werden und wie relevant diese als Plattformen geworden sind? Gleichzeitig stellt sich auch immer noch die Frage: Wenn ChatGPT bei der Generierung von Antworten in relevantem Maß auf Googles Suchergebnisse zurückgreift, ist es für Marken auch im Gen-AI-Zeitalter nicht einfach nur ausreichend, "gutes SEO" zu machen?
Klar ist jedenfalls: Mit dem Abschalten von "num=100" zwingt Google die Scraper nun zumindest zu etwas mehr Aufwand. Und vielleicht ist dies ja auch nicht die letzte Maßnahme in diese Richtung: Zwischenzeitlich hatte Google eine Stelle für eine*n "Anti-Scraping Engineering Analyst" ausgeschrieben. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ein Konzern, der Website-Betreiber*innen seit Jahren dazu nötigt, Inhalte für das eigene Scrapen bereitzustellen, nun selbst eine härtere Gangart fährt. Es ist aber auch ein weiterer Beleg dafür, dass sich Scraping im KI-Zeitalter zu einem strategisch enorm wichtigen Schlachtfeld entwickelt. Das zeigen auch Initiativen von Cloudflare, dem Interactive Advertising Bureau sowie der Non-Profit-Initiative "Really Simple Licensing", die hier mit potenziellen neuen Vergütungsstandards die Position der Inhalte-Anbieter wieder stärken wollen.
Freud und Leid für Youtube-Creator: Ablocker drücken die Abrufzahlen, aber ein neues Feature könnte mehr Kohle bringen
Schlechte Nachrichten für alle, die auf YouTube ihr Geld verdienen: Die Desktop-Views sind bei vielen um bis zu 50 Prozent eingebrochen (offenbar auch bei einigen deutschen Creator*innen). Der Grund, den findige Creator wie Josh Strife Hayes aufgedeckt haben: YouTube zählt seit einem Update keine Views mehr von Nutzer*innen mit bestimmten aktiven Adblockern. Eine bittere Pille, die YouTube pünktlich zum eigenen Creator-Event "Made on Youtube" serviert hat.
Dort gab es dann aber ein Trostpflaster: "Dynamic Brand Segments". Der Grundgedanke: Placements müssen nicht mehr für immer ins Video "eingebrannt" werden, sondern können nach einer gewissen Zeit dynamisch ausgetauscht und neu verkauft werden. Das könnte für Creator*innen natürlich erst einmal lukrativ sein: Alter Content wird zur wiederkehrenden Einnahmequelle – wenn er denn wirklich weiterhin in relevantem Maße abgerufen wird (Die ganze Analyse dazu gibt's auch von Julia und mir im OMR Takeaway Podcast!).
Mit dem sollen Creator*innen künftig Placements in Video dynamisch einspielen können. Werbe-Placements müssen also nicht mehr ins Video "eingebrannt" bleiben, sondern können nach einer vordefinierten Zeit neu verkauft werden. Ein Post des CEOs des Creator-Economy-Blogs Tubefilter auf Linkedin zum Thema hat extrem viel positive Resonanz aus der Creator Economy erhalten. Julia und ich haben die Neuerung übrigens auch in der neuesten Folge von OMR Takeaway besprochen... :)
Dazu gab es noch viele weitere neue Features:
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Lippensynchrone KI-Übersetzungen für eine globale Reichweite (scheinen auf Deutsch noch nicht so gut zu funktionieren...)
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Collab-Videos im Stil von Instagrams Collab-Posts.
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A/B-Tests für Titel & Thumbnails endlich für alle Creator.
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KI-Vorschläge für Shorts-Clips aus langen Videos
Alle Details gibt's im Youtube-Blog sowie gut zusammengefasst bei Colin und Samir.
Featurama: Neue Funktionen auf den digitalen Plattformen
- Google
- ...baut den Discover-Feed mit einer neuen Follow-Funktion für Creator und Publisher sowie der direkten Einbindung von Social-Media-Posts zu einem personalisierteren Content-Stream um.
- Meta
- ...hat neue Werbeoptionen für Instagram Reels ("Lass deine Werbung nur vor oder hinter den beliebtesten Reels ausspielen") sowie neue Formate für Threads Ads (u.a. ein Karussell-Format) angekündigt.
- Tiktok
- ...will Tiktok Shop Seller dazu animieren, häufiger am Wochenende live zu streamen.
- Linkedin
- ...verwendet ab November deine Daten und Inhalte künftig für das Training von KI-Modellen, wenn du das nicht hier deaktivierst.
- ChatGPT
- ...hat seine Suchfunktion überarbeitet, u.a. damit diese weniger halluziniert und Kaufabsichten bei den Nutzer*innen besser erkennt.
Tüddelkram: Tiktok, Amazon, Google, Gemini, ChatGPT, Wero, Meta, Rolling Stone, Publisher-Traffic, Youtube, Reddit, Apple und Discord
- Endlich keine Ticktack-Wortspiele mehr... Für den Deal zur Zukunft von Tiktok in den USA gibt laut US-Finanzminister Scott Bessent einen fertigen "Rahmen". Laut Wall Street Journal (€) soll ein Investorenkonsortium (Bestandsinvestoren von Tiktok sowie neu an Bord Oracle, Silverlake und Andreessen Horowitz) 80 Prozent an einem neuen Unternehmen halten, 20 Prozent dann chinesische Stakeholder. Offenbar soll es dann eine gesonderte US-App von Tiktok geben. Netzpolitik-Aktivist Markus Beckedahl sieht darin "die Vollendung der medialen Gleichschaltung der USA".
- Weiter unter Druck: Amazon und Google werden laut Bloomberg (€) von der US-Handelsaufsicht FTC wegen möglicher Preismanipulation beim Verkauf von Search Ads untersucht.
- Wachablösung: Vermutlich dank dem Erfolg des Bild-Modells "Nano Banana" hat Google Gemini in den USA, Großbritannien und Deutschland ChatGPT auf Platz 1 von Apples App Store abgelöst. Deepmind-Gründer Demis Hassabis frohlockt (auch Thema bei OMR Takeaway!).
- 700 Millionen wöchentliche Nutzer*innen: Eine 63-seitige Studie von OpenAI, dem "nationalen Büro für Wirtschaftsforschung" der USA sowie Harvard-Forscher*innen erläutert, "wie ChatGPT wirklich genutzt wird". Interessant: Die Hälfte der Nutzer*innen ist 25 Jahre alt oder jünger; 70 Prozent der Nutzung erfolgt im privaten Kontext.
- In Wero Vanitas? Die deutsch-europäische Paypal-Alternative Wero soll im Oktober u.a. bei Mediamarkt und Rossman an den Start gehen.
- Eye Phone: Meta stellt bei der Connect 2025 eine neue Ray Ban mit Sonnenbrille und internem Display vor. "I regret to inform you Meta’s new smart glasses are the best I’ve ever tried", schreibt The Verge.
- Klage wegen der KI-Lage: Penske Media, der Verlag hinter dem Rolling Stone und dem Hollywood Reporter, verklagt Google wegen der AI Overviews (€).
- Ernüchternd: Publisher verlieren menschlichen Traffic, während der Bot-Traffic rasant zunimmt, so eine Studie von Tollbit.
- Überraschend: In den USA dominieren auf Youtube in puncto Reichweite Inhalte von klassischen Medienhäusern wie beispielsweise "Saturday Night Live" (via Tubefilter)
- Mehr Kohle für Reddit? Die Social Community will den KI-Daten-Deal mit Google laut Bloomberg (€) noch ausbauen.
- Turnvater Tim: "Apple Sports" ist jetzt im deutschen App Store verfügbar und liefert "Sportergebnisse in Echtzeit, Statistiken und mehr"
- Premierministerwahl per App: In Nepal haben nach einer "Jugendrevolution" 160.000 Nepalesen ihren neuen Interims-Premierminister auf Discord gewählt.
So, das war es für diese Woche... Hat Dir der heutige Newsletter gefallen? Freue mich über Feedback und Weiterempfehlungen!
Genieß das Wochenende,
Roland
PS: Der meistgeklickte Link der vorherigen Ausgabe war der zum Artikel von Glossy über Sincerely Yours, die Hautpflegemarke der 15-jährigen Salish Matter.